Thursday, August 29, 2019

Die 14 Punkte Wilsons (Kongreßbotschaft vom 8. Januar 1918)

Die 14 Punkte Wilsons
(Kongreßbotschaft vom 8. Januar 1918)

Wir sind in diesen Krieg eingetreten, weil Rechtsverletzungen vorgekommen
sind, die an unseren Lebensnerv rührten und das Leben unseres eigenen
Volkes unmöglich machen würden, falls sie nicht abgestellt werden und die
Welt ein für allemal gegen ihre Wiederholung gesichert wird. Was wir in
diesem Krieg fordern, ist also nichts Besonderes für uns selbst. Es ist, daß die
Welt für das Leben der Menschen tauglich und sicher gemacht werde; und
insbesondere, daß sie sicher gemacht werde für jede friedliebende Nation,
die gleich der unsrigen wünscht, ihr eigenes Leben zu leben, ihre eigenen
Einrichtungen zu bestimmen, der Gerechtigkeit und Biederkeit seitens der
anderen Völker der Welt versichert zusein, im Gegensatz zu Gewalt und
selbstsüchtigem Angriff. Alle Völker der Welt sind in Wirklichkeit Teilhaber
an diesem Interesse, und wir für unseren eigenen Teil sehen sehr klar, daß,
wofern Gerechtigkeit den anderen nicht widerfährt, sie auch uns nicht
widerfahren wird.
Das Programm des Weltfriedens ist daher unser Programm, und dieses
Programm, das einzig mögliche Programm nach unserem Dafürhalten, ist
folgendes:

I. Offene Friedensverträge, offen zustande gekommen, nach denen es
keinerlei private Abmachungen mehrgeben soll, sondern nur mehr
Diplomatie, die stets freimütig und angesichts der Öffentlichkeit vorgeht.

II. Vollständige Freiheit der Schiffahrt auf den Meeren außerhalb der
Territorialgewässer, gleichermaßen im Frieden wie im Krieg, außer wenn die
Meere kraft internationalen Vorgehens zur Durchführung internationaler
Bündnisse ganz oder teilweise geschlossen werden.

III. Größtmögliche Beseitigung aller wirtschaftlichen Schranken und
Herstellung einer Gleichheit der Handelsbedingungen unter allen jenen
Nationen, die dem Frieden zustimmen und sich zu seiner Aufrechterhaltung
verbünden.

IV. Angemessene Gewährleistungen, dafür gegeben und entgegengenommen, daß nationale Rüstungen auf den niedrigsten Grad, der mit der inneren Sicherheit vereinbart ist, herabgesetzt werden.

V Freie, offenherzige und vollständig unparteiische Ordnung aller
kolonialen Ansprüche, gegründet auf strenger Befolgung des Grundsatzes, daß bei der Entscheidung aller dieser Fragen der Oberhoheit die Interessen
der beteiligten Bevölkerungen genau sogleiches Gewicht haben müssen wie
die billigen Ansprüche der Regierung, deren Rechtstitel zu entscheiden ist.

VI. Räumung des gesamten russischen Gebiets, und eine solche Erledigung aller Rußland berührenden Fragen, wie sie die beste und freieste
Zusammenarbeit der anderen Nationen der Welt sichern wird, um ihm eine
ungehemmte und unbelastete Gelegenheit zur unabhängigen Bestimmung
seiner eigenen politischen Entwicklung und nationalen Politik zu verschaffen und ihm eine aufrichtige Bewillkommnung in der Gesellschaft freier
Nationen unter selbsterwählten Staatseinrichtungen zuzusichern; und mehr
als eine Bewillkommnung, auch Beistand jeder Art, den es benötigen und
selbst wünschen mag. Die Rußland seitens seiner Schwesternationen in den
kommenden Monaten zuteil werdende Behandlung ist die Feuerprobe ihres
guten Willens, ihres Verständnisses für seine Bedürfnisse, im Unterschied
von ihren Interessen und ihres intelligenten und selbstlosen Mitgefühls.

VII. Belgien muß, dem wird die ganze Welt beipflichten, geräumt und
wiederhergestellt werden, ohne jeden Versuch, die Oberhoheit, die es mit
allen anderen freien Nationen gemein hat, einzuschränken. Keine andere
einzelne Handlung wird so dazu dienen, wie diese dazu dienen wird,
Vertrauen unter den Nationen in diejenigen Gesetze wiederherzustellen, die
sie selbst aufgestellt und für die Führung ihrer Beziehungen zueinander
festgesetzt haben. Ohne diese heilende Tat wird die ganze Struktur und
Gültigkeit des Völkerrechts für immer beeinträchtigt sein.

VIII. Alles französische Gebiet soll freigegeben und die Teile, in die ein
Einfall stattfand, wiederhergestellt werden, und das Frankreich durch
Preußen im Jahr 1871 in Sachen Elsaß-Lothringens angetane Unrecht, das
den Frieden der Welt nahezu fünfzig Jahre lang gefährdet hat, soll berichtigt
werden, um den Frieden im Interessealler wieder sicherzustellen.

IX. Eine Bereinigung der Grenzen Italiens soll nach genau erkennbaren
Linien der Nationalität bewerkstelligt werden.

X. Den Völkern von Österreich-Ungarn, deren Platz unter den Nationen
wir geschützt und gesichert zu sehen wünschen, soll die freieste Gelegenheit
selbständiger Entwicklung gewährt werden.

XI. Rumänien, Serbien und Montenegro sollen geräumt, besetzte Gebiete
zurückgegeben werden; Serbien soll ein freier und sicherer Zugang zur See
gewährt werden, und die Beziehungen der verschiedenen Balkanstaaten
zueinander sollen durch freundschaftliche Verhandlungen nach bestehenden
historischen Linien der Zugehörigkeit und Nationalität geregelt werden; und internationale Gewährleistungen der politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit und territorialen Unverletzlichkeit der verschiedenen Balkanstaaten sollen geschaffen werden.

XII. Den türkischen Teilen des heutigen ottomanischen Reichs soll eine
sichere Oberhoheit verbürgt werden, aber den andern Nationalitäten, die zur
Zeit unter türkischer Herrschaft stehen, soll eine unbestrittene Sicherheit des
Lebens und eine durchaus ungestörteGelegenheit selbständiger Entwicklung verbürgt werden, und die Dardanellen sollen unter internationalen
Gewährleistungen als freie Durchfahrt für die Schiffe und den Handel aller
Nationen dauernd geöffnet werden.

XIII. Ein unabhängiger polnischer Staat soll errichtet werden, der die von
unbestreitbar polnischenBevölkerungen bewohnten Gebiete umfaßt, dem
ein freier und sicherer Zugang zum Meer verbürgt werden soll und dessen
politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit und territoriale Unverletzlichkeit durch einen internationalen Bund gewährleistet werden soll.

XIV. Eine allgemeine Vereinigung der Nationen muß gebildet werden mit
besonderen Bundesverträgen zum Zweck der Gewährung gegenseitiger
Bürgschaften politischer Unabhängigkeit und territorialer Unverletzlichkeit
gleichermaßen für große und kleine Staaten.

Wir haben hiermit gewiß in zu deutlichen Ausdrücken gesprochen, als
daß weiterhin noch ein Zweifel oder eineFrage offenbleiben könnte. Ein klar
ersichtlicher Grundsatz zieht sich durch das ganze Programm, das ich
entworfen habe. Es ist der Grundsatz der Gerechtigkeit für alle Völker und
Nationalitäten und ihr Recht, unter gleichen Bedingungen der Freiheit und
Sicherheit miteinander zu leben,
ob sie stark oder schwach sind. Wenn dieser
Grundsatz nicht zur Grundlage gemacht wird, vermag kein Teil des
Gebäudes internationaler Gerechtigkeit zu bestehen. Das Volk der Vereinigten Staaten konnte aus keinem anderen Grundsatz heraus handeln; und zur
Rechtfertigung dieses Grundsatzes ist esbereit, sein Leben, seine Ehre und
alles, was es besitzt, hinzugeben. Dieser größte und letzte aller Kriege für
menschliche Freiheit hat jetzt seinenmoralischen Höhepunkt erreicht, und
unser Volk ist bereit, die Probe auf seine eigene Stärke, seine eigenen
höchsten Ziele, seine eigene Redlichkeit und Hingebung zu bestehen.

zitiert nach:
David L. Hoggan - MEINE ANMERKUNGEN ZU DEUTSCHLAND (1990)

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