von Wolfgang J. Koschnick
auf Telepolis am 19.12.2013
Die entwickelten Demokratien in aller Welt - von den USA
über Europa bis Japan - stehen vor dem gleichen Elend: Zwischen den
Völkern und ihren Politikern ist ein tiefer Graben der Entfremdung
aufgerissen, die Prozesse der politischen Willensbildung sind völlig
erstarrt, die Menschen haben kein Vertrauen mehr in das politische
System, in den Parlamenten und den politischen Parteien herrschen
Hierarchien, es geht nicht mehr demokratisch zu, die Volksvertretungen
nicken Regierungsentscheidungen nur noch ab, wichtige Entscheidungen
werden in Hinterstuben getroffen, die politischen Institutionen sind
handlungsunfähig, die Politiker taugen nichts, und der Staat ist bis
über die Ohren verschuldet.
Die politische Krise ist die Folge einer strukturellen
Reformunfähigkeit der Institutionen und ihrer Politiker, einer
wachsenden Kluft zwischen den Bürgern und Regierungen, zwischen Wählern
und Volksvertretern, zwischen Gesellschaft und Staat. Als Regierungsform
stoßen die Demokratien an ihre Grenzen, weil sie nicht mehr leisten,
wozu sie da sind: die Interessen aller zu wahren und ihren Völkern ein
gutes Leben zu ermöglichen. Sie dienen nicht mehr dem Gemeinwohl,
sondern nur noch den Interessen einzelner Gruppen.
Es mehren sich die Zweifel, ob die herrschenden Demokratien überhaupt
noch handlungsfähig sind; denn die eigentliche Krise ist die Krise der
repräsentativen Demokratie. Die strukturellen Schwächen dieses
Ordnungssystems treten heute so krass hervor wie nie zuvor. Eine
erfolgreiche Krisenbewältigung würde einen radikalen Politikwandel
erfordern. Das jedoch können auf Wahlerfolge und Machterhalt fixierte,
kurzsichtig orientierte politische Parteien systembedingt kaum leisten.
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